November 14, 2024

Erfolgsrezepte für die Umsetzung agiler Methoden im Unternehmen

Als Best Practices klären wir in diesem Artikel drei grundlegende Fragen: Wann machen agile Methoden Sinn? Wie finde ich die passenden agilen Methoden für mein Unternehmen? Wie sieht ein kultureller Wandel in der Praxis aus?
Erfolgsrezepte für die Umsetzung agiler Methoden im Unternehmen
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Über die “Macht der agilen Transformation in modernen Unternehmen” haben wir uns schon in unserem letzten Artikel ausgelassen. Agile Methoden haben seit den 1990er und besonders in den letzten Jahren ihr Potenzial aufgezeigt in puncto Flexibilität, Innovationsfähigkeit und Kundenorientierung. Doch wie eine zunehmende Zahl von Expert:innen ebenfalls feststellt, laufen viele agile Transformationen Gefahr, in routinierte, bürokratische Muster zu verfallen, die dem ursprünglichen Ziel der Agilität entgegenwirken. Böse Zungen sprechen vom “Agile Fetish”. Laut dem O’Reilly Artikel „The Death of Agile“ riskieren Unternehmen, durch starre Prozesse und den Verlust echter Anpassungsfähigkeit die Grundideen der Agilität zu verwässern – und das passiert dann, wenn der Fokus verstärkt auf Tools und Verfahren liegt, anstatt auf echten kulturellen Wandel. Proagile spricht passenderweise hierbei vom agilen Eisberg (siehe Abb. 1). Agile Methoden funktionieren weiterhin mit passenden “Best Practices” – also Erfolgsrezepte, die über die reine Methodenanwendung hinausgehen und spezifisch für ein Unternehmen und dessen derzeitige Situation sind. Als Best Practices klären wir in diesem Artikel drei grundlegende Fragen:  

  1. Wann machen agile Methoden Sinn?
  2. Wie finde ich die passenden agilen Methoden für mein Unternehmen?
  3. Wie sieht ein kultureller Wandel in der Praxis aus?

Wenn Organisationen diese drei Fragen beantworten können, steht einer nachhaltigen, agilen und authentischen Arbeitsweise nichts im Wege.

(Abb. 1: Agiler Eisberg, proagile.de)

Agile Ansätze: Für welche Situationen sind sie am besten geeignet?

Zunächst einmal, wann machen agile Methoden Sinn? Für die Verwendung und Implementierung agiler Methoden muss der richtige Kontext für deren Anwendung identifiziert werden. Eine einfache als auch wirksame Methode, um die Eignung agiler Ansätze zu bestimmen, ist die Stacey Matrix. Diese Matrix hilft dabei, Komplexität und Ungewissheit in einem Projekt zu bewerten in Bezug auf die Anforderungen und den Lösungsansatz. Das hilft bei der Entscheidung, ob agile Methoden für den spezifischen Fall sinnvoll sind.

Was ist die Stacey Matrix?

Die Stacey Matrix wurde von Ralph Stacey entwickelt (ursprünglich im Kontext der Organisationstheorie und komplexen Systemen in Unternehmen)  und ist in der Projektmanagement- und Change-Management-Literatur weit verbreitet. Im Netz sind eine ganze Reihe von Adaptionen (siehe. Abb. 2 +3) bezüglich Projektmanagement zu finden. Die Matrix kategorisiert Projekte basierend auf zwei Dimensionen:

  • Übereinstimmung: Hier wird untersucht, wie stark die Einigkeit unter den Stakeholdern bei unterschiedlichen Entscheidungsprozessen ausgeprägt ist. Im optimalen Fall herrscht eine vollständige Übereinstimmung – alle Beteiligten stehen geschlossen hinter der Entscheidung. Am anderen Ende des Spektrums steht der Extremfall, bei dem jeder Stakeholder zu einer anderen Schlussfolgerung kommt, sodass keinerlei Konsens entsteht.
  • Gewissheit: Diese Dimension bezieht sich auf die Sicherheit, mit der Entscheidungen getroffen werden können. Im besten Fall ist ein hohes Maß an Sicherheit gegeben, während im ungünstigsten Fall vollständige Unsicherheit und Unklarheit vorherrschen.

Insgesamt entwickelte Ralph Stacey so 5 Bereiche mit ihren jeweiligen Management-Strategien. Wie sich herausstellen sollte, war das die ideale Vorlage für die neue Stacy Matrix für das Projektmanagement.

(Abb. 2: Stacy Matrix - Original und Adaption, praxisframework.org / diehochschulerfrischerin.de)

(Abb. 3: Stacy Matrix Adaptionen, mooncamp.com / hubspot.de)

Anwendung der Stacey Matrix auf agile Methoden

Die beiden Dimensionen der “Projektmanagement Stacey Matrix” sind wie folgt zu interpretieren:

  • Klarheit des Lösungsansatzes (X-Achse): Wie eindeutig ist der Lösungsansatz.
  • Klarheit der Anforderung (Y-Achse): Wie eindeutig ist die Anforderung.

1. Einfache Systeme

Für Projekte, die als einfach eingestuft werden, ist die Komplexität niedrig, und die Anforderungen sind klar definiert. In diesen Fällen sind einfach strukturierte Projektmanagement-Methoden ausreichend – wie zum Beispiel das Wasserfallmodell. Salopp gesagt, “es wird das getan, was sonst immer getan wird”. Die klaren Schritte und Planungen ermöglichen eine effiziente Umsetzung, da alle Beteiligten wissen, was zu tun ist und die Risiken überschaubar sind.

2. Komplizierte Systeme

Bei komplizierten Projekten tauchen die ersten Unsicherheiten in Bezug auf die Anforderungen und den Lösungsansatz auf. In solchen Situationen sind Experten gefragt, die Lösungen basierend auf Analyse und Planung entwickeln. Eine standardisierte Planung und Steuerung wird hierfür empfohlen. Diese Ansätze bieten strukturierte Prozesse und helfen, die Herausforderungen durch fundierte Entscheidungen und umfassende Planung zu bewältigen. Besonders Kanban wird für solche Projekte genutzt.

3. Komplexe Systeme

In komplexen Umgebungen, in denen Anforderungen unklar sind und sich während des Projekts häufig ändern, entfalten agile Methoden ihre wesentlichen Vorteile. Grundsätzlich gilt an diesem Punkt auch, zunächst eine Risikoanalyse durchzuführen. Daneben ermöglichen agile Praktiken es den Teams, in kurzen Iterationen zu arbeiten, regelmäßig Feedback einzuholen und schnell auf Veränderungen zu reagieren. Dies fördert nicht nur die Anpassungsfähigkeit, sondern auch die Innovationsfähigkeit des Teams. In dieser Situation sind Flexibilität und eine enge Abstimmung/Kommunikation zwischen den Teammitgliedern essenziell. Frameworks wie vor allem Scrum (oder auch Kanban) sind hier besonders nützlich, um diese Dynamik und Flexibilität zu gewährleisten.

4. Chaotische Systeme

Bei chaotischen Systemen ist es wichtig, schnell zu handeln und häufig zu experimentieren. Das bedeutet, Schnelligkeit, Flexibilität und Agilität haben die höchste Priorität. Agile Ansätze unterstützen diese iterativen Prozesse, indem sie eine rasche Anpassung an neue Erkenntnisse und Bedingungen ermöglichen. In diesen Situationen können Methoden wie Design Thinking und Lean Startup besonders vorteilhaft sein, um schnell Prototypen zu entwickeln und zu testen. Hier steht das Lernen aus Erfahrungen im Vordergrund, um zeitnah die besten Lösungen zu finden.

Generell ist die Stacey Matrix ein ausgezeichnetes Werkzeug, um die Eignung agiler Methoden in verschiedenen Situationen zu bewerten. Sie bewertet Projekte anhand von zwei Fragen:

  1. Was ist das Problem? (Anforderung)
  2. Wie soll es gelöst werden (Lösungsansatz)

Durch die Analyse dieser Faktoren können Unternehmen fundierte Entscheidungen treffen, wann und wie sie agile Ansätze implementieren sollten. Besonders in komplexen und chaotischen Umgebungen sind agile Methoden besonders vorteilhaft. 

Wie finde ich die passenden agilen Methoden für mein Unternehmen?

Kommen wir nun zum zweiten Teil. Die Wahl der passenden agilen Methoden ist fundamental für eine erfolgreiche Transformation – und eine wirklich anpassungsfähige Unternehmenskultur. Verschiedene Faktoren wie Unternehmensgröße, Branche und spezifische Herausforderungen werden dabei berücksichtigt. Nachfolgend werden vier strategische Schritte vorgestellt, die den Auswahlprozess erleichtern und zu einer zielführenden Entscheidung führen können.

Analyse der Unternehmensbedürfnisse und Ziele

Der erste Schritt besteht darin, die spezifischen Bedürfnisse und Ziele des Unternehmens zu analysieren. Hier werden Herausforderungen identifiziert, die das Unternehmen lösen möchte – sei es eine schnellere Produktentwicklung, höhere Kundenzufriedenheit oder verbesserte Zusammenarbeit zwischen Teams. Mit dieser Klarheit können passende Methoden ausgewählt werden, welche die Unternehmensziele direkt unterstützen und die agilen Prinzipien sinnvoll in den Alltag integrieren.

Auswahl der agilen Methode nach Unternehmensgröße und Teamstruktur

Nicht jede agile Methode passt gleichermaßen gut für jede Unternehmensstruktur oder -größe. Kleinere Unternehmen und Start-ups profitieren häufig von flexibleren Methoden wie Scrum oder Kanban, die eine schnelle Anpassung und enge Zusammenarbeit ermöglichen. Größere Organisationen setzen oft auf Skalierungsmethoden wie SAFe (Scaled Agile Framework) oder LeSS (Large Scale Scrum), um agile Prinzipien auf mehrere Teams und Abteilungen anzuwenden, ohne die Übersicht zu verlieren.

Experimentieren und schrittweise Implementierung

Organisationen sollten neue Methoden zunächst in kleinem Rahmen testen, bevor sie sie unternehmensweit einführen. Dies erlaubt es Teams, erste Erfahrungen zu sammeln und Rückmeldungen zur Eignung der Methode im Unternehmenskontext zu geben. Eine schrittweise Einführung reduziert Widerstand und ermöglicht Anpassungen auf Basis des Feedbacks der Mitarbeitenden, die die Methoden anwenden. Diese Iterationsstufen spiegeln auch die Prinzipien der Agilität wider: Testen, Lernen und Anpassen.

Berücksichtigung der Unternehmenskultur

Wie bereits angeschnitten, ist die erfolgreiche Einführung agiler Methoden oft eng mit der bestehenden Unternehmenskultur verknüpft. Ein Unternehmen, das bereits eine offene und kollaborative Kultur pflegt, kann agilere Prozesse leichter einführen. Falls diese Kultur jedoch nicht vorhanden ist, kann eine agile Transformation dazu dienen, notwendige kulturelle Änderungen anzustoßen und eine bessere Grundlage für Flexibilität und Innovation zu schaffen. Dies erfordert jedoch klare Kommunikationsstrategien und ein starkes Engagement der Führungsebene / Agile Leadership.

Auswahl agiler Methoden – Rückschluss

Die Wahl der richtigen agilen Methode sollte immer mit einer gründlichen Analyse des Unternehmens und seiner Ziele beginnen. Es gibt kein universelles Modell, und oft ist eine Kombination verschiedener agiler Praktiken die optimale Lösung, um maximale Anpassungsfähigkeit und Effektivität zu gewährleisten. Ein schrittweiser Ansatz und eine intensive Einbindung der Mitarbeitenden sorgen für eine nachhaltige Umsetzung und helfen dabei, die Vorteile agiler Methoden voll auszuschöpfen. 

Kultur-Transformation Case Study: Otto Group 

Als letztes beschäftigen wir uns mit der eingangs gestellten Frage: “Wie sieht ein kultureller Wandel in der Praxis aus?”. Die Otto Group liefert wertvolle Einsichten, wie eine solche Kultur-Transformation in etablierten Unternehmen erfolgreich umgesetzt werden kann. Denn es ist die Kultur, die die grundlegenden Werte und Prinzipien für Agilität und letztendlich agile Methoden im Unternehmen verankert.

Kultur als Grundlage für agile Transformation

Otto zeigt eindrucksvoll, wie wichtig ein Kulturwandel ist, um agilen Methoden eine solide Basis zu bieten. Ein zentraler Aspekt der agilen Transformation bei Otto ist die Förderung von Transparenz, Selbstorganisation und kontinuierlicher Weiterentwicklung. Diese Grundsätze bilden das Fundament, auf dem agile Methoden erfolgreich angewendet und verankert werden können. Denn eine agile Transformation wird ohne einen unterstützenden Kulturwandel kaum langfristig erfolgreich sein.

Führung und Verantwortung in agilen Strukturen

Stichwort “Agile Leadership”. Otto betont die Veränderung in den Führungsrollen und die Förderung von Selbstverantwortung. Für die Einführung agiler Methoden bedeutet dies, dass Führungskräfte weniger kontrollieren, sondern vielmehr coachen und Teams zur Eigenverantwortung anregen sollen. 

Praktische Umsetzungsschritte und Flexibilität

Otto zeigt weiterhin, dass kulturelle und strukturelle Veränderungen schrittweise eingeführt wurden, um Raum für Anpassungen und Feedback zu schaffen. Diese iterative Herangehensweise passt optimal zu agilen Prinzipien und unterstreicht, dass Transformation nicht sofort perfekt sein muss, sondern sich kontinuierlich entwickeln darf.

Lernkultur und Umgang mit Fehlern

Ein weiteres wichtiges Element für die Otto Group  ist die Etablierung einer Lernkultur, die den offenen Umgang mit Fehlern und kontinuierliches Lernen fördert. Für Unternehmen, die agile Methoden einführen möchten, ist dies ein zentraler Aspekt: Agilität lebt von Anpassungsfähigkeit, und eine Kultur, die Fehler als Lernchancen begreift, ist dafür optimal. 

Fazit: Erfolgsfaktoren für die Umsetzung agiler Methoden

Die richtige Anwendung agiler Ansätze hängt stark vom Kontext ab. Agilität erfordert nicht nur die richtigen und gleichzeitig passenden Tools und Techniken. Vorhergehend ist ein tiefgreifender kultureller Wandel (falls nicht vorhanden), der auf Transparenz, Selbstverantwortung und kontinuierlichem Lernen basiert. Die erfolgreiche Einführung agiler Methoden gelingt weiterhin, wenn Organisationen ihre spezifischen Anforderungen und Herausforderungen analysieren, die passenden Methoden auswählen und Raum für eine schrittweise Anpassung schaffen. Solch eine Transformation verbessert unternehmensweite Prozesse und verankert Agilität nachhaltig in der Unternehmens-DNA.

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